Handreichung für den Unterricht von Schülerinnen und Schülern mit Hörbeeinträchtigungen
– der Nachteilsausgleich
Was ist der Nachteilsausgleich?
Durch einen Nachteilsausgleich soll Schüler*innen mit Behinderungen durch gezielte Hilfestellungen die Möglichkeit gegeben werden, ihre Fähigkeiten im Hinblick auf die gestellten Anforderungen nachzuweisen. Es geht darum, den Blick auf den einzelnen Schüler/die einzelne Schülerin und dessen persönliche Möglichkeiten, Prüfungen erfolgreich absolvieren zu können, zu richten und so eine Kompensation des mit einer Behinderung verbundenen Nachteils herzustellen. Es ist auf die individuelle Benachteiligung des Schülers/die Schülerin einzugehen soweit die Bildungs- und Lehraufgabe des betreffenden Unterrichtsgegenstandes grundsätzlich erreicht wird und ohne dass die Leistungsanforderung grundlegend verändert wird. Wurde eine Leistung mit Maßnahmen eines Nachteilsaugleichs erbracht, so stellt diese eine gleichwertige Leistung dar.
Somit sind Schüler*innen, die aufgrund einer Behinderung eine entsprechende Leistung nicht erbringen können, unter Bedachtnahme auf den wegen der Behinderung erreichbaren Stand des Unterrichtserfolges zu beurteilen.
Art und Umfang von Nachteilsausgleichen sind stets so auszurichten, dass die in der Behinderung begründete Benachteiligung ausgeglichen und dem Grundsatz der Chancengerechtigkeit entsprochen wird. Es geht nicht um eine Bevorzugung durch geringere Leistungsanforderungen, sondern um eine kompensierende, aber inhaltlich zielgleiche Gestaltung der Leistungssituation.
Der Nachteilsausgleich definiert also sich darin, diagnostizierte Beeinträchtigungen und daraus resultierende Benachteiligungen zu minimieren bzw. auszugleichen.
Aufgrund ihrer speziellen Voraussetzungen im Kommunikationsbereich sind hörbeeinträchtigte Schüler*innen auf spezifische Förder- und Ausgleichsmaßnahmen angewiesen.
Funktionelle Umschreibung möglicher Hörbeeinträchtigungen
Die Hörbeeinträchtigung ist eine scheinbar unsichtbare Behinderung.
Die Fähigkeit zum korrekten Umgang mit der Lautsprache und die Sprachkompetenz entsprechen nicht der physiologischen Fähigkeit, Lautsignale aufzunehmen und zu verwerten. Dies bedeutet, dass hörbeeinträchtigte Schüler*innen anlagebedingt mehr Kompetenzen haben, als sie zeigen können.
Hören ist nicht gleich Verstehen
In der Praxis erfordern die unterschiedlichen Kategorien von Hörbeeinträchtigungen unterschiedliche, auf den Einzelnen zugeschnittene Maßnahmen zum Nachteilsausgleich. Aus pädagogischer Sicht können Hörbeeinträchtigungen vereinfacht wie folgt unterschieden werden:
AVWS - Auditive Verarbeitungs- und Wahrnehmungsstörung:
Ist die zentrale Verarbeitung und Weiterleitung auditiver Stimuli bei durchschnittlicher Begabungslage beeinträchtigt, spricht man von einer auditiven Verarbeitungsstörung. Hierbei ist das periphere Hören grundsätzlich intakt, das heißt, das Hörorgan (Ohr) ist nicht geschädigt (unauffälliges Reintonaudiogramm). Es liegt eine Störung der auditiven Informationsverarbeitung vor. Daraus resultieren Schwierigkeiten beim Decodieren, beim Verstehen, bei der Sinnerfassung sowie bei der Abspeicherung auditiver Informationen. Die Auswirkungen sind ähnlich wie bei mittelgradig-schwerhörigen Schüler*innen.
Schwerhörig mit Hörgeräteversorgung:
Das Hörvermögen ist eingeschränkt. Es liegt eine leicht-, mittel- oder hochgradige Schwerhörigkeit vor. Schwerhörige Schüler*innen haben aufgrund ihrer erschwerten und zum Teil eingeschränkten Lautsprachentwicklung, trotz Hörtechnik (Hörgeräte, FM-Anlage) spezifische Defizite im Aufnehmen und Verarbeiten von Sprache. Das Sprachverständnis kann auch bei optimal versorgten Hörgeräteträger*innen eingeschränkt bleiben.
Träger*innen eines Cochlea Implantats (CI):
Je nach sprachlicher Entwicklung und Förderung (in Abhängigkeit des Zeitpunktes der CI-Implantation) ist die Sprach- und Sprechkompetenz unterschiedlich entwickelt. CI-Träger*innen können aufgrund ihrer hörtechnischen Versorgung unter physischen Stress geraten (Kopfschmerzen, Erschöpfung, Tinnitus). Auch optimal versorgte CI-Träger*innen benötigen zur Kommunikation eine ihnen angepasste Umgebung (störschallfreier Raum, direkte Kommunikation, deutliche Artikulation). Auch bei CI-Träger*innen kann das Sprachverständnis trotz optimaler technischer Versorgung eingeschränkt sein.
Gehörlos mit oder ohne Hörgeräteversorgung:
Die angeborene oder im frühesten Kindesalter eingetretene massive Hörbeeinträchtigung ist oftmals so stark, dass sich die Sprache nicht natürlich über das Gehör entwickelt. Gehörlose Schüler*innen orientieren sich aufgrund ihres früh eingetretenen hochgradigen Hördefizits vor allem visuell in ihrer Umwelt. Lautsprachliche Kommunikation kann auch bei einer hörtechnischen Versorgung, mit Stress und Einschränkungen verbunden sein (Lippenlesen). Der lautsprachliche Wortschatz kann eingeschränkt sein, sowie Grammatik und Syntax können betroffen sein. Dies trifft auch hochgradig und teilweise auch mittelgradig schwerhörige Schüler*innen im gleichen Maße. Eine sprachliche Entwicklung ist oftmals nur über die visuelle Wahrnehmung möglich und erfolgt vielfach in Gebärdensprache. Die physische Belastung verbunden mit Verständnisproblemen im sozialen Umfeld ist vielfach sehr groß und für uns „Hörende“ nicht nachvollziehbar.
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